Abstammung: Der erste Lurch
In der
einleitenden Seite wurde
zwischen erstem Tetrapod
(  ),
erstem vierbeinigem Landtier und erstem Lurch
nicht weiter unterschieden. Die einfache Vorstellung vom Fisch, dem Beine
wuchsen, mit denen er als Lurch an Land stieg und Nachkommen zeugte, die uns
heute in Form allerlei vierbeinigen Wirbel-Getiers über den Weg laufen, ist
zu verführerisch.
Wie immer, wenn man sich mit einer Frage näher beschäftigt, wird's schnell
kompliziert. Die einfache Definition der Vierbeiner
( ),
wie sie im
Wörterbuch zu finden ist, zieht dann
nicht mehr. Schon bei der Betrachtung von Schlangen, Blindschleichen
und Walen wird es schwierig. Aber richtig ernst wird es, wenn man sich dem
Übergang vom Fisch zum Vierbeiner
( )
nähert. Ab wann soll man von Armen und Beinen, von Fingern und Zehen statt
von Flossen sprechen? Eine Frage, die in der Wissenschaft noch nicht gelöst
ist.
Auch die Gleichsetzung von erstem Vierbeiner und erstem Landtier ist
vorschnell. Wenngleich die Ausbildung von kräftigen Extremitäten zum Tragen
des Körpergewichts als eine Voraussetzung fürs Landleben angesehen werden
kann, so kann der erste Tetrapod doch weitgehend oder dauernd im Wasser
gelebt haben. Und erst Recht muss das erste vierbeinige Wirbeltier kein
Amphib im engen biologisch-systematischen Sinn gewesen sein
( ).
Schließlich steht die Paläontologie, die sich mit der Beantwortung der hier
aufgeworfenen Fragen beschäftigt, vor dem Problem, dass sie auf heute
verfügbare Überreste aus jener Zeit angewiesen ist, um dem Problem auf die
Spur zu kommen. Aber weder herrschten häufig Bedingungen, die eine
Konservierung begünstigten noch sind die verhältnismäßig wenigen erhaltenen
Spuren heute zugänglich und erst Recht sind nicht alle gefunden.
Einer der ersten und besterhaltenen Tetrapoden
( )
wurde in Grönland gefunden: Ichthyostega.
Die Altersbestimmung ergab, dass die Versteinerung ca. 350 bis 400
Millionen Jahre alt ist und somit aus dem Devon
( )
stammt. Ichthyostega hatte bereits eine stark verknöcherte
Wirbelsäule und kräftige Gliedmaßen mit Zehen an den Enden. Das Skelett der
Hände und Füße glich in seinem Aufbau bereits dem Grundplan der
Landwirbeltiere (mehrere Gelenke, Hand- und Fußwurzelknochen...).
Die Beine waren seitlich abgespreizt. Das Becken war mit
der Wirbelsäule verbunden - ganz typisch für Landwirbeltiere und
im Unterschied zu Fischen.
Außerdem wichtig: Ichthyostega hatte innere Nasenöffnungen
( )!.
Auf den ersten Blick mag einem das als langweiliges akademisches Detail
erscheinen. Aber: Innere Nasenöffnungen spielen ihre Vorteile erst richtig aus,
wenn durch Lungen geatmet wird. Ichthyostega hatte Lungen! Außerdem sind
die inneren Nasenöffnungen eines der zahlreichen Merkmale, die dabei helfen
können, die Abstammung der Amphibien zu klären. Darauf kommen wir bei der
Suche nach den
Stammvätern nochmals zurück.
Weitere Kennzeichen von Ichthyostega:
-
Der Schädel hatte viele Merkmale mit dem von Fischen gemeinsam.
Allerdings war der Schädel abgeplattet wie bei einem Salamander
(
).
-
Auf der Oberseite des Kopfes wurden Strukturen identifiziert, die als
verkümmerte Kiemenspalten angesehen werden.
-
Auf der Oberseite des Schwanzes trug Ichthyostega eine Flosse, die durch
Flossenstrahlen verstärkt war. Auch manche heute lebenden Molche
(
)
tragen Flossensäume - wenn auch häufig nur in Wassertracht
( )
und immer ohne Flossenstrahlen.
-
Ichthyostega hatte Ohren, die offensichtlich auf das Hören unter Wasser
ausgerichtet waren. Vermutlich war Ichthyostega also ein zumindest meist
wenn nicht gar ausschließlich im Wasser lebender Vierbeiner.
Weil so gut erhaltene Exemplare von Ichthyostega gefunden wurden, gibt uns
das Tier eine Vorstellung davon, wie der erste Lurch womöglich ausgesehen
haben könnte. Und dennoch: Ichthyostega war nicht der erste Lurch.
Wahrscheinlich stammt keine der heute lebenden Tierarten von Ichthyostega
ab. Ichthyostega scheint als blinder toter Ast im Stammbaum der Evolutiuon
zu enden.
Andere Tiergruppen stehen im Verdacht, die echten Vorfahren der heute
lebenden Lurche zu sein. Dabei sind vor Allem die Temnospondyli und die
Lepospondyli als Ausgangspunkte im Gespräch.
Der älteste Vertreter der Temnospondyli wurde bisher in Schottland
(East Kirkton bei Edinburg) gefunden. Balanerpeton lebte vor etwa 300 Mio.
Jahren im Karbon
( ).
Er ist damit jünger als Ichthyostega, bis 1 Meter lang, mit vier seitlich
abstehenden Gliedmaßen zwischen denen der molchförmige Körper
aufgehängt war. Ein Aspirant für den Titel "erster Lurch". Aber
wie gesagt: Nur ein Aspirant. Noch ist die Abstammung der rezenten
( )
Lurche nicht geklärt. Es gibt sogar eine Theorie, nach der Blindwühlen,
Frosch- und Schwanzlurche nicht auf den selben Ursprung zurück gehen.
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